BVBB und Schutzgemeinschaft stellten Konzept für Flugrouten vor
Zeuthen. „Wir können den Fluglärm nicht wegzaubern“, sagte Carl Ahlgrimm, Bürgermeister der Gemeinde Großbeeren und Sprecher der Schutzgemeinschaft der Umlandgemeinden e.V., gestern in der Zeuthener Mehrzweckhalle. „Im Planfeststellungsbeschluss sind Lärmkarten veröffentlicht worden, die Dauerlärmpegel von 65 und von 55 dB(A) zeigen“, fügt er hinzu. Es sei reine Mutmaßung, dass in gerader Linie an- und abgeflogen werde. Dies müsse nicht zwingend so sein. Die Schutzgemeinschaft und der BVBB wolle mit dem Konzept, dass Dieter Faulenbach da Costa erarbeitet hat, Alternativen aufzeigen. Bewohnte Bereiche könnten umflogen werden, um so einen Beitrag zum aktiven Lärmschutz zu leisten. Die Schutzgemeinschaft und der Bürgerverein Brandenburg-Berlin e.V. (BVBB) hatten den Flughafenplaner Faulenbach da Costa beauftragt, ein alternatives Flugroutenkonzept für die An- und Abflüge des Flughafens Berlin Brandenburg International (BBI) zu entwickeln.
Was bedeuten 360.000 Flugbewegungen pro Jahr?
360.000 Flugbew. : 365 Tage = 986,3 Flugbew. pro Tag
Bei 24 Stunden abzüglich der Nachtstunden, in denen nur in Ausnahmen geflogen werden darf, bleiben 16 Stunden mit uneingeschränktem Flugbetrieb:
986 Flugbew. : 16 = 61,6 Flugbew. pro Stunde. Das bedeutet: die Flugzeuge starten und landen im Minutentakt.
Rund 400 Menschen aus Eichwalde, Zeuthen, Schulzendorf und anderen Gemeinden waren neugierig auf die Ideen, die der Flughafenplaner erläuterte. 360.000 Flugbewegungen mit 30 Millionen Passagieren pro Jahr werde es in Schönefeld geben, wenn 2012 der Flughafen Tegel schließt und diese Flüge über Schönefeld erfolgen, erklärte der Flughafenexperte. Der Flughafen habe darüberhinaus noch weitere planbare Kapazitäten für 40 bis 50 Millionen Passagiere. Diese könnten weiter südlich des ausgebauten Flughafens entstehen. „Wenn am Standort Schönefeld nicht schon ein Flughafen existiert hätte, wäre der Flughafen dort nie gebaut worden“, erklärte der Flughafenplaner.
Möglichkeiten des aktiven Lärmschutzes sieht er darin, die Landeschwelle zu versetzen. Damit werde sich zwar die tatsächlich genutzte Landebahn verkürzen, dies sei aber für die Piloten kein Problem, da die Länge der Landebahnen für ein zulässiges maximales Landegewicht der Flugzeuge ausgelegt seien. Nur die wenigsten Flugzeuge seien bei der Landung so schwer, dass die gesamte Länge genutzt werden müsse.
Weitere Lärmminderung ergäbe sich durch einen steileren Anflugwinkel bei Landungen. Die Deutsche Flugsicherung (DFS), die für die Flughafengesellschaft die Planung der An- und Abflugrouten erstellt, bevorzuge einen kontinuierlichen Sinkflug in den Planungen. Würden die Flugzeuge in einem Gleitwinkel von 3,5 statt 3° anfliegen ergäbe sich eine spürbare Entlastung. Die Maschinen befänden sich dann 335 Meter über dem Gebiet zwischen Schulzendorf und Eichwalde, statt 210 Meter. In seinem Konzept schlug er ferner vor zeitweise, 90 Prozent der Anflüge aus Richtung Osten auf der nördlichen Landebahn aufsetzen zu lassen und nur zehn Prozent auf der südlichen. Darüberhinaus könnte die südliche Landebahn mittags außer Betrieb gesetzt werden, da das stärkste Flugaufkommen vormittags zu erwarten sei. In den Mittagsstunden seien es hingegen etwa 60 Starts und Landungen.
Eine weitere Möglichkeit sei der geknickte Anflug aus Richtung Westen, über Diedersdorf im Endlandeanflug. Ebenso sei dies aus südlicher Richtung möglich. Ludwigsfelde werde dabei nicht mehr überflogen. Dieses Verfahren sei bei extrem schlechter Sicht nicht möglich. Solche Wetterbedingungen herrschten aber nur in 40 bis 80 Stunden im Jahr. Um Schulzendorf, Bohnsdorf und Eichwalde minimal zu entlasten könnte die Anflugroute etwas nach Norden abgewinkelt werden. Zusammen mit dem steilerem Sinkflug könnte sich dadurch die Lärmbelastung insgesamt verringern. Daneben könnten fünf Prozent der An- und Abflüge über Rudow erfolgen. Allerdings habe er bereits Beschwerden per E-Mails und Telefon von Bürgern und auch von Abgeordneten bekommen, die in Rudow lebten, er möge diese Route wieder aus seinem Konzept streichen.
„Meine Untersuchungen zeigen, dass Entlastungen sehr wohl für die Menschen möglich sind. Die Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH (FBS) und die DFS werden aufgefordert, die machbaren Entlastungen zu verwirklichen“, schloss Faulenbach da Costa. Seine Untersuchungen zeigten auch, dass Vorsorge getroffen werden müsse für die weitere Entwicklung des Flughafenstandorts. Alternativen müssten jetzt untersucht werden, beispielsweise so genannte konvergierende Pisten, die gewinkelt angeordnet sind, wie in Amsterdam und Madrid.
Ferdi Breidbach, Ehrenvorsitzender und Sprecher des BVBB, erklärte, er habe dieses Konzept erfahrenen Piloten vorgelegt, die einhellig sagten, dass alle Vorschläge machbar seien. Steilere Anflugwinkel und versetzte Landeschwelle würden kein Problem darstellen. „Die Deutsche Flugsicherung und die Planfeststellungsbehörde sind laut § 29 des Luftverkehrsgesetzes dazu verpflichtet, die Bevölkerung so wenig wie möglich mit einem Lärmteppich zu belasten“, sagte Breidbach. Die DFS werde wahrscheinlich wenig kreativ vorgehen, wenn sie die Flugrouten festlege und möglichst einfach geradeaus fliegen lassen, Beispiele in Düsseldorf und Frankfurt a. M. hätten dies gezeigt. Positive Beispiele wie Amsterdam und Zürich würden belegen, dass dies auch anders möglich sei.
Die Bemühungen des passiven Schallschutzes hielt der BVBB-Sprecher für reine Propaganda. Schallschutzfenster und Lüfter stellten lediglich eine Billigheimerlösung dar. Die vorgesehenen Lüfter seien noch nicht einmal bautechnisch für diesen Zweck zugelassen. Der BVBB habe mehrere Gutachten drei unabhängigen Experten zur Prüfung vorgelegt. Demnach entspreche das, was eingebaut werden soll, nicht dem Stand der Technik. Breidbach befürchtete, dass noch nicht einmal fünf Prozent der vom Fluglärm Betroffenen eine einmalige Entschädigungszahlung in Höhe von 5.000 Euro erhalten. Für diese Sparlösung sei nicht die FBS verantwortlich, sondern die Länder Berlin und Brandenburg. Breidbach forderte, es müsse Schluss sein mit den Billiglösungen. Es müssten Lösungen gefunden werden wie in Frankfurt oder München.
Breidbach erhebt schwere Vorwürfe gegen Planfeststellungsbehörde
„Das Bundesverwaltungsgericht hat es abgelehnt, 113 Nachtflüge zwischen 22 und 6 Uhr stattfinden zu lassen. Jetzt hat man einen ergänzenden Antrag vorgelegt, 111 Nachtflüge zuzulassen und versucht, die Notwendigkeit mit Unterlagen in fünf Aktenordnern zu belegen“, erklärte der BVBB-Ehrenvorsitzende. Er warf dem Land Brandenburg, der Flughafengesellschaft und dem Berliner Senat Kumpanei vor. Mit den fünf vorgelegten Aktenordnern könne das Verfahren nicht begründet werden. In den Aktenordnern fehlten Teile, die darin aber enthalten sein müssten. Dies habe auch der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts bemängelt und ordnete an, alle Akten vorzulegen. Wenige Wochen später hätten die Verantwortlichen 20 weitere Ordner vorgelegt. „Unsere Anwälte haben festgestellt, dass die Behörde Akten unterdrückt haben“, unterstreicht Breidbach die Vorwürfe gegen FBS und Planfeststellungsbehörde. Offensichtlich verhalte sich die Behörde respektlos gegenüber dem Gericht. „Wenn ein Land sich so etwas erlaubt, hat das mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun. Ein normaler Parlamentarier hätte schon einen Untersuchungsausschuss eingeschaltet“, sagte Breidbach.
Die Vorwürfe hatte Breidbach bereits am 25. August in einer Presseerklärung erhoben. Der Pressesprecher des Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg, Lothar Wiegand erklärte in einer Stellungnahme hierzu:
„Wir haben nichts zurückgehalten. In den Unterlagen, die wir dem Gericht zur Verfügung gestellt haben, sind auch Daten der Airlines enthalten. Diese Daten waren von den Fluggesellschaften selbst geschwärzt worden, weil diese sie für schützenswürdig erachteten. Bereits im Vorfeld des Erörterungstermins beim Bundesverwaltungsgericht haben wir erfolgreich auf die Fluggesellschaften eingewirkt, diese Daten freizugeben. Danach haben wir die ungeschwärzten Papiere dem Gericht zugeleitet. Beim Erörterungstermin in Leipzig spielte dieses Thema dann auch gar keine Rolle mehr.
Irreführend sind auch die vom BVBB genannten Mengenangaben. Danach seien lediglich ‚fünf Akten’ dem Gericht zugeleitet worden. Tatsächlich haben wir dem Gericht Verfahrensunterlagen im Umfang von 30 Kartons mit 354 Aktenordnern zugeleitet. Nachgeliefert wurden auf Wunsch des Gerichtes 20 weitere Aktenordner. Sie enthalten unter anderem, Vertragsunterlagen für Gutachter und Anwälte.“
Die Frage, wie künftig die Flugrouten verlaufen werden bleibt weiterhin spannend. Die DFS jedenfalls wird am Montag (6.9.2010) ein eigenes Konzept für die geplanten Flugrouten vorstellen.
Weitere Informationen:
- Bürgerverein Brandenburg-Berlin e.V. (BVBB) zur Änderung im Luftverkehrsgesetz (LuftVG)
- Stellungnahme der Rechtsanwälte Baumann zur Änderung im Luftverkehrsgesetz § 29 b
- Luftverkehrsgesetz (LuftVG), § 29 b
- Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft zum Planergänzungsbeschluss des BBI
- Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS)
- Airport Consulting & Partner, Faulenbach da Costa
- Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH (FBS)
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