Tomczak (FDP): „Flüge in Nachtrandzeiten sind zulässig.“
Schulzendorf. Die erst kürzlich gegründete Interessengemeinschaft Schulzendorf gegen Fluglärm, Vertreter der Bürgerinitiative Schulzendorf gegen Fluglärm sowie Mitglieder der Ortsgruppe Schulzendorf des Bürgervereins Brandenburg-Berlin (BVBB) trafen sich am vergangenen Sonnabend zum Gespräch mit Landtagsabgeordneten im Schulzendorfer Rathaus. Die Initiativen hatten das Ziel, die Betroffenheit und die konkreten Auswirkungen der geplanten Flugrouten auf den Ort und seine Menschen zu verdeutlichen. Aus fast allen Fraktionen des Landtages waren Abgeordnete erschienen. Ein Vertreter der SPD fehlte. Bürgermeister Markus Mücke ließ sich urlaubsbedingt von Amtsleiter Alexander Reech vertreten. Mit dabei waren Gemeindevetreter Joachim Kolberg, Werner Effler und weitere.
Dieter Schallehn: „Wir wollen gehört werden!“
„Wir reden hier heute nur über Schulzendorf, nicht über Baustopp, nicht über Sperenberg“, erklärte Dieter Schallehn, Interessengemeinschaft Schulzendorf gegen Fluglärm. Es gehe ausschließlich um die Betroffenheit von Schulzendorf. Ein striktes Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr sei eine zentrale Forderung. Es gehe um Sachaufklärung, denn was auf die Menschen hier vor Ort zu komme, darüber entscheiden 88 Abgeordnete des Landtages. Die Flughafengesellschaft habe vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig behauptet, wenn ein Flugzeug über ein Gehöft flöge, sei das nicht so schlimm. „Wir wollen gehört werden. Unsere Betroffenheit soll jedem Landtagsabgeordneten bekannt sein“, machte Schallehn deutlich. „Wir wollen, dass keiner der Landtagsabgeordneten sagen kann: Das habe ich nicht gewusst“, fügte er hinzu.
Claudia Janßen von der Bürgerinitiative Schulzendorf gegen Fluglärm befürchtet, dass schwere Maschinen bei Starts auf der südlichen Piste und bei Ostwind die von der Deutschen Flugsicherung geplante Südkurve nicht fliegen können und daher von 213 mehr als die Hälfte der Maschinen den Kurs über Schulzendorf nehmen würden. Somit seien Grundschule, Hort und Kita direkt von besonders großem Fluglärm betroffen. Lediglich der Naturkindergarten habe inzwischen Schallschutzfenster bekommen. Dabei sollten sich die Kinder eigentlich draußen aufhalten.
Nur fünf Stunden Nachtruhe
Ein weiteres Problem sei es, dass derzeit nur fünf Stunden Nachtruhe geben wird, jeder wisse, dass dies schon für Erwachsene nicht genug sei. Ende August sei von Ärzten aus verschiedenen Bundesländern gefordert worden, dass es ein generelles Nachtflugverbot bundesweit geben solle. Der Fluglärm führe zu Gehörschänden, Schlafstörungen, Herz-Kreislaufstörungen und psychischen Schäden und vieles Mehr. Ein generelles Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr würde zumindest für acht Stunden Ruhe bringen, denn für die meisten Ortsteilen gebe es keinen Schallschutz, erklärten die Kritiker des Großflughafens, der im Juni 2013 eröffnet werden soll.
Nach Einschätzung von Ex-Bürgermeister Herbert Burmeister werde am 13 Oktober 2011 ein Urteil vom Bundesverwaltungsgericht erwartet, in dem auch die Ausweitung der Schutzzonen für den passiven Schallschutz gefordert werde. Denn in der Praxis könne auf allen Routen geflogen werden, so wie es geplant sei. Das Gericht habe lediglich die Aufgabe, zu überprüfen, ob es rechtlich zulässig sei, was Planfeststellungsbehörde geplant hat. Die Möglichkeit etwas daran zu ändern habe nur die Planfeststellungsbehörde. Denn die Menschen in Schulzendorf hätten vor allem den Lärm von zwei Drittel der anfliegenden Jets zu ertragen.
„Wir sind hier nur 4.000 Meter von Start- und Landebahn entfernt“, erklärte Gernut Franke, Sprecher der Ortsgruppe Schulzendorf des BVBB. Bei Ostwind werde es täglich 397 Überflüge geben. „Die Maschinen fliegen nicht wie auf Schienen, dadurch entsteht ein Lärmteppich der sich nach links und Rechts um insgesamt drei Kilometer ausbreitet“, sagte Franke.
Kritisiert wurde auch, dass eine Simulationen der Flüge über die so genannte Südkurve gezeigt habe, dass der Scheitelpunkt der Kurve am Mühlenschlag liege und damit direkt bewohntes Gebiet von Schulzendorf geflogen werde.
Schulzendorf hat viel in den Ort investiert
„Wir haben viel in die Infrastruktur des Ortes investiert, viele Steuergelder verbaut, auch Fördermittel von Land und Bund um das Ortszentrum neu zu bauen“, erklärte Gemeindevertreter Joachim Kohlberg (CDU/FDP-Fraktion). Ebenso sei der Sportplatz neu errichtet, die alte Grundschule zu einem Hort und die alte Gesamtschule zur Grundschule umgebaut worden. Ein Pflegeheim, die Kita Löwenzahn seien hier in den vergangenen zehn bis zwölf Jahren unter der Voraussetzung der Routen aus dem Planfeststellungsbeschlusses von 2004 gebaut worden. Darin wurden Flugrouten veröffentlich, die geradeaus über den nördlichen Teil des Ortes führen.
Herbert Burmeister erklärte, dass sehr viele Gutachten zur Erstattung von Kosten für den Schallschutz fehlerhaft seien. Inzwischen seien 700 der Vereinbarungen zur Kostenerstattung geprüft worden. Etwa 60 Prozent seien fehlerhaft. In einem Gesundheitsmonitoring solle die Auswirkungen des Fluglärms untersucht werden, forderte er. Der Flughafen in Schönefeld (BER) solle dazu als Vergleichsflughafen zur Verfügung stehen. In dem Monitoring soll die Auswirkung von Fluglärm auf die Gesundheit von Kindern untersucht werden. Die Kosten der Studie betrügen rund 350.000 Euro. Das Land Brandenburg wolle sich daran beteiligen, Berlin habe aber erklärt, es fehle das Geld dazu, kritisierte Burmeister .
Raimund Tomczak: „Flüge in Nachtrandzeiten sind zulässig.“
„Wir werden keinem Baustopp zustimmen oder Maßnahmen, die diesen Flughafen in Frage stellen und werden deutlich machen, dass die Flüge in den Nachtrandzeiten die gegebene Zulässigkeit sind“, erklärte Raimund Tomczak, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP im Landtag. „Lärmschutz und Wirtschaftlichkeit haben für uns eine gleichberechtigte Bedeutung“, fügte er hinzu. Der Flughafen habe Einfluss auf Arbeitsplätze in der Region und auf die wirtschaftliche Entwicklung. Man werde die Ansiedlung von Großunternehmen in unmittelbarer Nähe erleben. Der Betreiber müsse dafür gerade stehen, dass keine Alibi-Maßnahmen zum Schallschutz getroffen werden.
Landtagsabgeordneter Björn Lakenmacher (CDU) erklärte, er habe Respekt vor der Arbeit der Bürgerinitiativen und dass die sich um die Belange vor Ort kümmerten. „Ich stelle aber auch fest, dass die SPD, die Partei, die den Ministerpräsidenten stellt, nicht zugegen ist“, bemängelte der CDU-Politiker und wolle sich zunächst auf das erwartete Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes stützen. Erst danach sei wieder die Politik am Zuge.
„Eigentlich soll die Politik die Richtung bestimmen, nicht die Gerichte“, gab Alexander Helbig (Linke) zu bedenken, der für Stefan Ludwig an der Diskussionsrund teilnahm. Die Wirtschaftlichkeit steh auf der einen, Gesundheitsbelastungen auf der anderen Seite. Diese Dinge müssten volkswirtschaftlich als Ganzes betrachtet werden. Es gebe Studien, die gesundheitliche Schäden durch Lärm belegen. Demnach müssten gesundheitliche Aspekte hier den Vorrang haben.
Michael Jungclaus (Grüne/Bündnis 90) erklärte zur kürzlich im Landtag gestarteten Anfrage: „Ich fand es erschreckend, wie wenig Resonanz den Gutachtern bei der Anhörung von den Abgeordneten entgegengebracht wurde.“ Nicht das Gericht solle nun Rahmenbedingungen setzen, sondern dies sei die Aufgabe der Politik.