Gemeinde Schulzendorf fordert Maulkorberlass für Online-Journalist Wolff
Schulzendorf/Königs Wusterhausen. Seit Ende Oktober vergangenen Jahres streiten sich die Gemeinde Schulzendorf und Michael Wolff um Leserkommentare zu einem Artikel. Der Online-Journalist hatte sie in seinem Online-Magazin schulzendorfer.de veröffentlicht. Das Persönlichkeitsrecht einer Verwaltungsmitarbeiterin und die Grenzen des Rechts auf freie Meinungsäußerung stehen im Mittelpunkt des Rechtsstreits. In der vergangenen Woche wurde vor dem Amtsgericht Königs Wusterhausen darüber verhandelt. Der Versuch von Richterin Heike Wunderlich, einen Vergleich zwischen den beiden Parteien herbeizuführen, scheiterte. Nebenklägerin ist die Sachgebietsleiterin der Gemeinde für den Bereich Tiefbau. Das Urteil wurde für den 11. April 2012 angekündigt.
Konkret geht es um zwei Kommentare von Lesern zu einem Artikel über die Kosten von Grundstückszufahrten, die beim Ausbau von 16 Kilometern unbefestigten Straßen in Schulzendorf angelegt werden. In dem umstrittenen Kommentar wurde als Frage formuliert behauptet, das die zuständige Sachgebietsleiterin und Ansprechpartnerin für das Projekt bei jenem Unternehmen gearbeitet haben soll, welches den Zuschlag für die Planung des Straßenbauprojekts bekam. In einer Antwort eines weiteren Lesers wurde behauptet, dass sie bei der Firma Hyder Consulting GmbH gearbeitet habe. Diese Behauptungen entsprechen nicht den Tatsachen.
Richterin Wunderlich: „Keine Rechtsgrundlage für Maulkorberlass“
Rechtsanwalt Ronald Richter, der die Gemeinde und die Mitarbeiterin vertritt, forderte Journalist Wolff auf, die strittigen Kommentare zu löschen und darüber hinaus eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben, künftig den Namen der Mitarbeiterin im Rahmen der Berichterstattung nicht zu nennen. Diese Forderung ging Richterin Wunderlich zu weit und sprach von einem Maulkorberlass, der hier eingefordert werde. „Dafür sehe ich keine Rechtsgrundlage“, erklärte sie. Es sei hier lediglich die äußere Sphäre des Persönlichkeitsrechts betroffen.
Die Sachgebietsleiterin habe keine Entscheidungsbefugnis. Diese läge bei der Gemeindevertretung. Es müsse möglich sein, dass sie ungehindert ihre Arbeit bei der Gemeindeverwaltung ausüben kann, unbeeinflusst von einer Prangerwirkung im Internet, erklärte Rechtsanwalt Richter.
Eine vorbeugende Unterlassung, den Namen der Verwaltungsmitarbeiterin zu nennen, sei wesentlich zu weit gefasst. Denn in Gemeindeversammlungen äußere sie sich öffentlich, entgegnete Anwalt Tim Hoesmann, der Michael Wolff vertritt. Schließlich sei die Mitarbeiterin namentlich in sämtlichen Ausschreibungen als Ansprechpartnerin genannt und beziehe in öffentlichen Versammlungen Stellung.
Zwar stimmte Anwalt Richter zu, dass es eine öffentliche Informationsveranstaltung mit der Sachgebietsleiterin gab, jedoch habe sie lediglich im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit Fragen beantwortet.
Markus Mücke: „Mitarbeiterin ist keine Person des öffentlichen Lebens“
„Wir haben nur eine Mitarbeiterin, die diese Aufgabe übernehmen kann“, gab Bürgermeister Markus Mücke zu Protokoll. Die Mitarbeiterin sei lediglich für die technische Abwicklung des Straßenbaus zuständig. Auch wenn sie auf der Internetseite der Gemeinde als Ansprechpartnerin genannt werde, sei sie keine Person des öffentlichen Lebens. Er sehe daher keine Notwendigkeit, dass sie im Rahmen der Berichterstattung namentlich genannt werde.
„Das ist schon ein Maulkorb“, sagte Wolff, „wenn wir im Sommer über den Straßenbau berichten und es neue Erkenntnisse gibt.“
Auch die Mitklägerin wurde als Zeugin befragt. Sie bestätigte, dass sie bei der Voigt Ingenieure GmbH in Luckau von 1997 bis 1999 gearbeitet habe. Seit 1. März 1999 arbeitet die Bauingenieurin bei der Gemeinde Schulzendorf. Sie sei erst durch Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung über den Leserkommentar informiert worden, in dem ihr Name in einem sehr unschönen Zusammenhang genannt werde.
Natürlich sind die Voigt Ingenieure GmbH in Luckau und die Hyder Consulting GmbH in Berlin, die mit der Planung des Straßenbauprojekts von der Gemeinde beauftragt wurde, zwei verschiedene Unternehmen. Allerdings wurde die Voigt Ingenieure GmbH von der Hyder Consulting PLC übernommen und gründete als deutsches Tochterunternehmen mit Markus Voigt als Geschäftsführer die Hyder Consulting GmbH.
Auf heutige Nachfrage der Eichwalder Nachrichten, erklärte Bürgermeister Mücke, dass es ihm in dem Rechtsstreit nicht darum gehe, kritische Diskussionen oder die Berichterstattung zu beschneiden, sondern lediglich darum, gegen falsche Tatsachenbehauptungen vorzugehen.
Nach Informationen der Redaktion fuhr Bürgermeister Mücke gestern noch schwerere Geschütze auf. Er reichte einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung beim Amtsgericht in Königs Wusterhausen ein. Er forderte darin eine Strafe von 3.000 Euro oder drei Tage Haft für Online-Journalist Wolff. Diesen Antrag zog Mücke aber gestern nach einer Verhandlung vor dem Amtsgericht wieder zurück.
Weitere Informationen:
- Markus Voigt, Geschäftsführer der Hyder Consulting GmbH in Berlin
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