Jugendarbeit in Eichwalde bald ohne feste Bleibe?
Eichwalde. Der Putz bröckelt hier und dort von der grauen Fassade des Hauses an der Gerhart-Hauptmann-Allee 36, Ecke Stadionstraße. Die Graffitis an der Hauswand sind in mit den Jahren verblasst. Die Grünflächen rund um das Gebäude haben schon bessere Tage gesehen. Der Hausflur wirkt düster und eng. Die Toiletten sind undicht. Es handelt sich um das Jugendzentrum Eichwalde. Seit fast drei Jahren steht das Wohnhaus zum Verkauf. Zwar renovierten Jugendliche und Helfer vor längerer Zeit in einer einer 48-Stunden-Aktion den Fernsehraum und verschönerten einzelne Wände, jedoch könnte das Haus eine Erneuerung von Grund auf vertragen. Doch dazu wird es nicht mehr kommen.
Gestern ließ Bürgermeister Speer in der Bürgerfragerunde während der Sitzung der Gemeindevertretung die Bombe platzen: „Sollte der Vermieter der Gemeinde nicht zum 31. Dezember 2013 kündigen, so werden wir den Mietvertrag kündigen.“ Der bauliche Zustand lasse eine ordentliche Jugendarbeit in diesem Haus nicht mehr zu, so der Verwaltungschef.
Vor fast drei Jahren berichteten die Eichwalder Nachrichten darüber, dass das Haus zum Verkauf steht. Das Gebäude wurde, da die Eigentumsverhältnisse nach der Wiedervereinigung noch ungeklärt waren von der Gemeinde verwaltet. Ab 1996 nutze sie es, um für die Jugendarbeit im Ort ein neues Domizil zu schaffen und zahlte eine Miete auf ein Sperrkonto. Denn der ursprüngliche Jugendclub in der Stubenrauchstraße 74 wurde als Hort umgenutzt. Daher mussten die Jugendlichen dort ausziehen. Vor einigen Jahren ist die Immobilie an den rechtmäßigen Eigentümer rückübertragen worden. Rund 7.400 Euro beträgt die Miete derzeit für das Haus im gesamten Jahr.
Sichtbar passiert ist seit der Berichterstattung über den drohenden Verlust des eigenen Jugendhauses in Eichwalde nichts. Zwar bemühte sich die Verwaltung um eine Lösung, der offenen Jugendarbeit im Ort eine neue Bleibe zu verschaffen, hat aber bis heute keine geeigneten Räumlichkeiten zur Miete gefunden.
Pläne für neues Jugendhaus liegen seit Jahren auf Eis
Es sollte ein Projekt mit Vorbildcharakter werden. Das neue Jugendhaus auf dem Gelände des Eichenparkstadions sollte Sport und kommunale Jugendarbeit eng miteinander verzahnen. Rund 1,1 Millionen Euro stellte dazu die Gemeinde zwischen 2006 und 2009 im Gemeindehaushalt bereit. Sie ließ einen Bebauungsplan erstellen, das neue Haus planen und bekam dazu die Baugenehmigung vom Landkreis. Alle waren begeistert. Bis auf die Anwohner. In Diskussionen wurde damals deutlich: Sie befürchteten dass sie durch das neue Jugendhaus in direkter Nachbarschaft in ihrer Ruhe gestört zu werden.
Offensichtlich ist es hierzulande viel einfacher, sich juristisch gegen die offene Jugendarbeit in der Nachbarschaft zur Wehr zu setzen, als sich gegen den Fluglärm besseren Schallschutz vor Gericht zu erstreiten.
Seit 22. September 2009 liegt die so genannte Normenkontrollklage von Wolf Carius dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vor. Der ehemalige Gemeindevertreter (Bündnis 90/Grüne) wollte damit das Votum der Kommunalpolitiker für die Bebauung auf dem Gelände des Eichenparkstadions juristisch prüfen lassen. Eine Entscheidung gibt es bislang noch nicht. Laut Auskunft des Gerichts soll voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte mündlich darüber verhandelt werden.
„Neben der Normenkontrollklage ist auch Widerspruch gegen die Baugenehmigung beim Landkreis eingereicht worden“, erklärte Kämmerer Michael Launicke auf Nachfrage der Eichwalder Nachrichten. Der Landkreis müsse zunächst die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts abwarten. Die bereitgestellten Mittel seien im Haushalt gestrichen worden, als die Klagen eingereicht wurden. In den Jahren darauf seien sie anderweitig verplant und verwendet worden. Im aktuellen Haushalt seien bislang keine Mittel für einen möglichen Umzug des Jugendhauses vorgesehen.
Noch keine Kündigung des Mietvertrags
Der Mietvertrag für das Jugendhaus ist unbefristet. Vielmehr hatte der Vermieter zugesagt, bis zum 31. Dezember 2013 nicht zu kündigen. Für die Gemeinde gilt eine sechsmonatige Kündigungsfrist. Sollte der Vermieter das Haus bis zum Jahresende geräumt haben wollen, muss er bis Ende Juni der Gemeinde kündigen. Nun will Bürgermeister Speer ihm zuvor kommen.
Die jungen Besucher des Jugendzentrums sind beunruhigt, da noch immer keine Lösung gefunden wurde. Auf die Jugendarbeit im Ort und auf die Attraktivität des Jugendhauses hat der geplante Verkauf gravierende Auswirkungen.
Jugendhaus ist in desolatem Zustand
Sorgen bereitet der Jugendarbeiterin Martina Haase, dass das Haus nicht renoviert werden kann. So seien die Toiletten schon lange renovierungsbedürftig.
„Mein Traum war immer das Jugend-Sporthaus im Eichenpark-Stadion. Die Jugendlichen haben einen großen Bewegungsdrang“, erzählt die Leiterin des Jugendzentrums, die seit 2008 das in Eichwalde arbeitet. „Ich wünsche mir, dass die Jugendlichen sich stärker artikulieren, welche Art von Jugendarbeit sie sich wünschen und wie sie die Jugendarbeit haben wollen“, fügt sie hinzu.
Sie habe mit den Jugendlichen immer wieder über die künftige Jugendarbeit gesprochen. „Sie wünschen sich einen Raum als Jugendtreff – als offenen Treff“, fügt sie hinzu. Denkbar sei auch ein Jugend-Café mit zwei bis drei Räumen. „Drei Räume wären schon cool“, sagt Haase. „Ich habe häufiger Jugendliche, die Probleme haben. Dann brauche ich einen Raum, um mich mit ihnen zurückzuziehen.“ Beispielsweise helfe sie beim Schreiben von Bewerbungen.
Unbeholfene Aktionen bei Facebook
Ende September 2012 wurden eine junge Besucherin des Jugendzentrums aktiv und gründeten die offene Facebook-Gruppe „Rettet den Jugendclub Eichwalde – Am 31.12.2013 ist Schicht im Schacht“. Inzwischen umfasst das Forum 100 Mitglieder, die darin sporadisch über die Zukunft des Jugendhauses diskutieren. Dabei wird deutlich, dass die jungen Leute schlecht informiert sind. Zu den Überlegungen der Gemeindeverwaltung erhalten sie auch von Jugendarbeiterin Haase keine konkreten Informationen. Eine Facebook-Nutzerin schrieb im März diesen Jahres:
„hallo ihr lieben also ich hatte mich grad mit martina unterhalten bzw geschrieben sie ist mit der gemeinde an drei lösungen dran kann aber noch nichts genaues sagen das heißt wir halten uns erstmal im hintergrund nicht das das ganze nach hinten los geht und die gemeinde dann alles verweigert wenn martina uns braucht sagt sie uns bescheid und dann geben wir vollgas“
Die Nutzer starteten eine Online-Petition bei change.org, die aber kaum Beachtung fand. Eine politische Relevanz wie bei einem Volksbegehren, haben Petitionen dieser Art freilich nicht. Denn bei einem Volksbegehren müssen sich die Wahlberechtigten im Rathaus mit einem Personalausweis legitimieren, bevor sie ihre Stimme per Unterschrift abgeben können.
„Aus den Diskussionen bei Facebook halte ich mich heraus. Ich sitze zwischen zwei Stühlen und sehe meine Aufgabe als Sozialarbeiterin der Gemeinde“, erklärt Haase zu den Aktivitäten ihrer Schützlinge bei Facebook.
Jugendliche haben in Eichwalde keine Lobby
Zwar gibt es in Eichwalde ein Kinder- und Jugendparlament (KJP), aber es beschäftigt sich kaum mit der offenen Jugendarbeit auf kommunaler Ebene, obwohl Haase die Arbeit des KJP aktiv unterstützt. „Die Mitglieder des KJP sind nicht die Klientel des Jugendzentrums“, sagte dazu die Dreiunddreißigjährige. Mit dem Hort und der Grundschule arbeite sie eng zusammen, biete beispielsweise eine Arbeitsgemeinschaft an. Dennoch kämen nur vereinzelt Schüler in das Jugendhaus. „Derzeit besuchten etwa 20 Jugendliche täglich das Haus“, erzählt Haase. Vor einigen Jahren noch seien es deutlich mehr Besucher gewesen. Heute kämen montags einige Jugendliche aus Wildau, da das hiesige Jugendzentrum an diesem Tag geschlossen habe. Umgekehrt gingen aber auch gelegentlich Jugendliche aus Eichwalde nach Zeuthen und Wildau in die Jugendhäuser.
Offensichtlich sind ein Großteil der 14 bis 20-jährigen – was die Politik vor Ort angeht – unpolitisch. Sie haben keine Lobby. Vielmehr gibt es Kommunalpolitiker in Eichwalde, die in Frage stellen, ob man für die offene Jugendarbeit ein eigenes Haus bereit stellen muss. In den Sitzungen der Gemeindevertretung sind die jungen Eichwalderinnen und Eichwalder eher selten zu sehen. „Von den Sitzungen der Gemeindevertretung sind die jungen Leute abgeschreckt“, sagte die Leiterin des Eichwalder Jugendzentrums.
Bürgermeister Speer: „Nicht jede Gemeinde braucht ein eigenes Jugendhaus“
Zwar sind die bereitgestellten Mittel für den Neubau des Jugendhauses im Eichenparkstadion inzwischen anderweitig verwendet worden, „doch sollte das Projekt wieder aktuell werden, muss man einen neuen Ansatz im Haushalt finden“, sagt Bürgermeister Bernd Speer (parteilos). „Noch sind wir im alten Jugendzentrum zur Miete und wir gehen davon aus, dass der Mietvertrag ausläuft“, gab sich Speer noch vor wenigen Tagen im Gespräch mit den Eichwalder Nachrichten wenig optimistisch. Dann müsse eine andere Lösung her, beispielsweise in Zusammenarbeit mit Schulzendorf, Zeuthen und Wildau (ZEWS). „Wir haben viele Dinge geprüft, die aber aus unterschiedlichsten Gründen gescheitert sind“, erklärt der Verwaltungschef. Vor allem seien es Betriebsgenehmigungen und der Lärmschutz, die oft der Problemlösung im Wege stünden. Beispielsweise sei ein Gebäude auf dem Gelände des Wasserwerks in Betracht gezogen worden. Das sei aber am Trinkwasserschutz gescheitert, so Speer.
„Ich bin mit Martina Haase im Gespräch, die Jugendarbeit anders zu organisieren“, erläutert Speer. Als Übergangslösung sei die Kooperation mit ZEWS durchaus realisierbar. Er wolle keine vollendeten Tatsachen schaffen, für den Fall, dass im Eichenparkstadion doch noch gebaut werden könne.
„Wir investieren in ZEWS eine Menge Geld. Vieles was wir aufgebaut und mitfinanziert haben, kann stärker belastet werden. Nicht jede Gemeinde braucht ein eigenes Jugendhaus, auch wenn sie noch so klein ist“, sagte Speer. So habe beispielsweise das eine Jugendzentrum in der Nachbargemeinde Fachräume, der nächste dafür einen Bolzplatz.
Etwa 19.000 Euro zahlte die Gemeinde im vergangenen Jahr an den Kinder und Jugendverein (KJV), dem Träger der mobilen Jugendarbeit ZEWS. Als Alternative haben man auch mit der Arbeiterwohlfahrt (AWO) verhandelt, die in der Tschaikowskistraße ein KiTa-Gebäude bereit hält, dass für die Jugendarbeit umgebaut werden könnte. Die Idee, sei aber an zu hohen Kosten gescheitert, so Speer.
Eine öffentliche Diskussion zwischen Kommunalpolitikern und den Jugendlichen, darüber, wie sie sich die Jugendarbeit in Eichwalde künftig vorstellen, hat es bislang noch nicht gegeben. „Wenn ich den öffentlichen Diskurs führe, dann muss ich auch etwas anbieten können“, sagte dazu Bürgermeister Speer. Es sei auch eine Frage des richtigen Zeitpunkts, und der sei noch nicht gekommen.
Inzwischen wird mehr Öffentlichkeit im Internet hergestellt. So gründete heute Frank Vulpius, Geschäftsführer des KJV, eine neue Facebook-Gruppe: „Ein Jugendclub für Eichwalde“ heißt sie.
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