Lehrer beschreiben Maurice M. als unauffälligen Schüler
Eichwalde/Cottbus. Beim vierten Verhandlungstag am Landgericht Cottbus zum Strafverfahren gegen den mutmaßlichen Mörder der 14-jährigen Alyssa aus Eichwalde wurden am Mittwoch Lehrer einer berufsbildenden Schule befragt. Der Angeklagte Maurice M. hatte die weiterführende Schule in den vergangenen anderthalb Jahren besucht, um seinen Realschulabschluss nachzuholen. Da der Angeklagte Maurice M. selbst vor Gericht bislang keine Aussagen macht, befragten die Richter Zeugen, um sich ein Bild von dem ihm zu machen.
Als unauffällig und ruhig beschrieb die Klassenlehrerin den 20-jährigen Schüler. Seine schulischen Leistungen seien befriedigend bis gut gewesen. Die Lehrerin erklärte, dass M. häufiger im Unterricht gefehlt habe und stellte dem Gericht die Schulakte zur Verfügung. Daraus geht unter anderem hervor, dass der Angeklagte in einer E-Mail darüber schrieb, unter einer psychischen Krankheit zu leiden, die es ihm nicht möglich gemacht habe, die Schule zu besuchen. Sie habe mit ihm darüber gesprochen und ihm professionelle Hilfe durch eine Sozialpädagogin angeboten, die jedoch der Angeklagte nicht angenommen habe. „Ich habe mich veräppelt gefühlt, als ich im nachhinein hörte, dass er wärend seiner Abwesenheit Besuche gemacht hat“, erklärte die Zeugin.
Auch der Fachpraxislehrer, der Maurice M. im Hauswirtschaftskurs unterrichtete, bestätigte in seiner Aussage, dass M. als Schüler unauffällig gewesen sei. „Er war ein ruhiger, zurückhaltender Schüler“, sagte der Zeuge. Zwar sei der Angeklagte eher ein besserer Schüler gewesen, jedoch habe er ihn ab und zu etwas anschieben müssen. Er habe ihn gelegentlich darauf angesprochen, dass Basecap und Jogginghose für den Beruf im Gastronomiebereich nicht angemessen sei. Manchmal habe der Schüler ungepflegt gewirkt, so der Lehrer.
Einmal sei es auch zu einer Handgreiflichkeit zwischen Schülern und dem Angeklagten gekommen. Zwar habe er die Auseinandersetzung nicht direkt beobachten können, aber habe im Gesicht von Maurice M. eindeutige Spuren einer Ohrfeige erkennen können. Daran beiteiligt waren unter anderem Schüler die als Zeugen befragt wurden, mit denen der Angeklagte öfter Umgang hatte. Dass sie sich mit dem Angeklagten gestritten hatten, erwähnten sie vergangene Woche Freitag mit keinem Wort bei ihrer Vernehmung
S-Bahn-Zugführer: „Der Angeklagte wirkte verwirrt“
Auch der S-Bahn-Zugführer wurde vom Gericht zu den Vorgängen am 18. November 2013 befragt. Da Maurice M. versucht hatte, sich das Leben auf den S-Bahngleisen zu nehmen. Nach Aussage des Zugführers, der inzwischen Rentner ist, sei ihm um 15:23 Uhr –also wenige Minuten, nachdem er aus dem S-Bahnhof Zeuthen Richtung Eichwalde ausgefahren war – zwischen der Schranke in Zeuthen und dem S-Bahnhof Eichwalde eine Person auf dem Gleis mit torkelnden Schritten entgegen gekommen. Da es hell war, habe er die Bahn problemlos stoppen können, sofort einen Notruf ausgelöst und den Zug aus der Gegenrichtung ebenfalls benachrichtigt. Der Zeuge erklärte, dass es durchaus normal sei, dass man als ungeübter auf einem Gleis etwas schwankend geht. Offenbar konnte der Zugführer nicht daraus schließen, dass die Person betrunken gewesen sein könnte. Es habe noch etwa zwei weitere Minuten gedauert, bis der Angeklagte direkt vor dem Zug stehen blieb. Er habe im folgenden Gespräch einen etwas verwirrten Eindruck gemacht.
Der Zugführer stellte den jungen Mann zur Rede. Dieser habe ihn gefragt, warum er den Zug angehalten habe, da er sich das Leben nehmen wolle. Seine Freundin sei erstochen worden. Er habe das ziemlich verworren dargestellt. „Hoffentlich komme ich nicht in die Klapse hat er gesagt“, erklärte der Zugführer vor dem Gericht. Er habe versucht ein ruhiges Gespräch mit ihm zu führen, da der Fernverkehr auf den anderen beiden Gleisen noch nicht gestoppt worden sei. „Wenn er aufgesprungen wäre, um zum Fernbahngleis zu rennen, hätte ich das nicht verhindern können, wenn Fernzug kommt“, sagte der Zeuge.
Angeklagter soll Mitschüler rassistisch beschimpft haben
Vergangene Woche Freitag befragte die 3. Strafkammer des Landgerichts Cottbus Mitschüler des Angeklagten. Zwar hatte Maurice M. bei der Verhandlung eine Woche zuvor eine Erklärung verlesen lassen, dass er die Tatvorwürfe in keinem Punkt bestreitet und dass es ihm sehr leid täte. Jedoch machte er bisher keine mündliche Aussagen vor dem Gericht. Die Richter wollten sich ein Bild von ihm machen und befragte daher vier Mitschüler der Klasse der Berufsbildenden Schule, die Maurice M. zwischen Sommer 2012 und 2013 besuchten.
Ein 19-jährige Mitschüler erklärte, dass er mit Maurice M. gemeinsam regelmäßig mit Bus und Bahn zur Schule gefahren sei. „Der Angeklagte hat sich öfter rassistisch gegenüber Klassenkameraden mit dunkler Hautfarbe oder anderer Religionszugehörigkeit geäußert, sie als niedere Menschen bezeichnet“, erklärte der ehemalige Schüler, der inzwischen bei der Post arbeitet. Maurice M. habe gesagt, dass diese Menschen nicht leben sollten. „Ich habe da weg gehört, konnte dagegen nichts machen“, fügte der Zeuge hinzu.
In der weiteren Befragung wurde aber deutlich, dass M. sich auch zu Menschen mit Behinderung in gleicher abfälliger und menschenverachtender Form geäußert haben soll. Der Mitschüler Bestätigte, dass der Angeklagte in diesem Zusammenhang auch von Vergasen und Abstechen gesprochen habe.
Übereinstimmend erklärten aber alle befragten Ex-Schüler, dass M. ansonsten ein ruhiger Schüler gewesen sei, aber womöglich ein gestörtes Verhältnis zu seinen Mitschülerinnen in der Klasse hatte.
Ein weiterer Zeuge erklärte mit dem Angeklagten gelegentlich über die Schule, Computerspiele, verschiedene Hobbies und über Sport gesprochen. Privates über sein Elternhaus sei dabei nicht zur Sprache gekommen, erzählte der 18-Jährige Auszubildende im zweiten Lehrjahr. In der Freizeit habe er aber nichts mit dem Angeklagten zu tun haben wollen. „Ich habe auch viel Blödsinn geredet, habe die rassistischen Äußerungen als Witz wahrgenommen“, erklärte der angehende Hotelfachmann. „Das war teilweise schon krass. Ich hätte nicht gedacht, dass er so was in die Tat umsetzen würde“, fügte der Zeuge hinzu. Der Richter machte ihn darauf aufmerksam, dass solch eine nationalsozialistische Grundhaltung wohl kaum als Witz zu verstehen sei und wollte wissen, ob er auf solcherlei Äußerungen reagiert habe. Dieser erklärte, er habe auch schon mal gesagt, dass er damit aufhören solle, da er das nicht hören wolle. Er habe aber auch nicht weiter versucht mit Maurice M. darüber zu diskutieren.
Die Richter versuchten zu erfragen, wie der Angeklagte innerhalb der Berufsschulklasse integriert war. „Er war halt da, war dabei“, sagte dazu der Zeuge. In der weiteren Vernehmung erklärte der Ex-Schüler, dass der Angeklagte wenig mit den Mitschülerinnen zu tun gehabt habe. Er habe eigentlich gar kein Verhältnis zu Mädchen gehabt, habe mehr mit Jungs zu tun gehabt. Manchmal sei M. verbal aggressiv geworden. In der Gruppe hätten sie ihn aber deshalb nicht als Spinner angesehen. Die Konfllikte hätten sich hoch geschaukelt, vor allem gegenüber Schülern türkischer, afrikanischer oder indischer Herkunft. „Bei denen hatte er das halt abgezogen. Die Leute haben ihn aber nicht ernst genommen“, sagte der Zeuge. Im Unterricht hingegen habe er sich, wenn es um das Thema Rassismus ging, zurück gehalten. Einige Mitschüler mit ausländischen Wurzeln hatten sich bei der Schulleitung beschwert über die Beschimpfungen. Die Schulleitung habe Maurice M. daraufhin angesprochen, das zu unterlassen, so der ehemalige Mitschüler des Angeklagten.
Mutter von Alyssa schildert Angeklagten als übertrieben höflich
Sowohl die Eltern, als auch Willi H., den der Angeklagte Maurice M. bei der Bluttat an der Hand verletzt haben soll, wurden Anfang September vom Gericht als Zeugen befragt. Zum Prozessauftakt im August hatten die Pflichtverteidiger einen Antrag auf Befangenheit der Richter gestellt. Dieser wurde jedoch abgelehnt.
Überraschend hatte der 20-jährige Angeklagte am zweiten Prozesstag von seinem Pflichtverteidiger eine Erklärung verlesen lassen. Darin bestätigte er die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft in allen Details und erklärte, dass es ihm sehr leid täte, der Familie so großes Leid zugefügt zu haben. Während die Erklärung verlesen wurde, habe Maurice M. äußerlich keine Regung gezeigt, berichtete ein Beobachter des Prozesses gegenüber den Eichwalder Nachrichten.
Richter Thomas Braunsdorf befragte Willi H. zum Hergang der Tat. Dieser bestätigte in seiner Aussage den geschilderten Ablauf aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft. Jeannette B., Mutter von Alyssa, kann die Schilderungen kaum ertragen und bricht – wie beim ersten Prozesstag – in Tränen aus. Der Pflichtverteidiger überreichte im Anschluss an die Zeugenvernehmung Willi H. einen Umschlag mit 500 Euro Schmerzensgeld. Der Schüler nahm das Geld jedoch nicht an, spendete es vielmehr an den Weißen Ring e.V., einem Verein, der Opfern von Kriminalität hilft und unterstützt, so auch die Familie des Opfers aus Eichwalde.
Jeannette B. erklärte in ihrer Zeugenaussage, dass Maurice M. seit Anfang Oktober Kontakt zu ihrer Tochter gehabt habe. Er sei ihr als sehr höflich, zuvorkommend, fast schon übertrieben höflich vorgekommen. Bei einem Besuch habe er in einem Gästezimmer übernachtet. Alyssa habe die Eltern um Rat gefragt, da sie die Beziehung zu Maurice M. beenden wollte. Dieser habe psychische Probleme, mit denen Alyssa offenbar überfordert gewesen sei, berichtete die 49-jährige Mutter. Alyssas Vater erklärte, dass er das Gefühl hatte, dass der Angeklagte nach der Beendigung der Beziehung der Tochter etwas antun könnte.
Noch immer leidet die Familie unter der schrecklichen Bluttat. Jeannett B. kann ihre Arbeit als Heilpraktikerin nicht mehr ausüben. Ihre Praxis hat sie inzwischen geschlossen.