„Er hat Alyssa zugetextet“ – Schulfreundin berichtet von 150 SMS innerhalb einer Stunde
Cottbus/Eichwalde. Immer klarer erscheint das Bild im Indizienprozess zum Mord an der 14-jährigen Alyssa aus Eichwalde, der vor der dritten Strafkammer des Landgerichts Cottbus am Montag – einen Tag vor dem Jahrestag der schrecklichen Tat – weiter verhandelt wurde. Der Angeklagte Maurice M. schweigt noch immer zu den Vorwürfen. Er hatte lediglich im September eine schriftliche Erklärung verlesen lassen, in der er keinen Punkt der Anklageschrift bestritt. So muss sich auch weiterhin das Gericht auf die Aussagen von Zeugen und Beweismittel stützen. An diesem Prozesstag kamen enge Freunde von Alyssa zu Wort.
Als nicht normal bezeichnete Alyssas beste Schulfreundin Jennifer das Verhalten des Angeklagten Maurice M. im Mordprozess an der 14-jährigen Schülerin aus Eichwalde. „Er hat sie zugespamt“, erzählte die 16-Jährige aus Königs Wusterhausen und meinte damit, dass er ihr bis zu 150 Kurznachrichten innerhalb einer Stunde aufs Mobiltelefon schickte – auch während sie im Unterricht saß. Alyssa habe ihr erzählt, dass Maurice sich umbringen wolle, wenn sie sich von ihm trennt. Dass Maurice und Alyssa sich zweimal in Eichwalde trafen, bestätigte die enge Freundin der Getöteten. Alyssa habe sich bereits nach dem ersten Treffen durch Maurice stark eingeengt gefühlt. Er habe ihr einen mehrseitigen Liebesbrief geschrieben. Zwar habe sie den Brief ebenfalls gelesen, aber sie könne sich an den Inhalt nicht mehr erinnern. Im späteren Verlauf der Verhandlung wurde der Brief verlesen.
Angeklagter schrieb Liebesbrief an Alyssa
In kindlichem Schreibstil beteuert der Angeklagte darin, wie sehr er Alyssa liebe, spricht sie immer wieder mit „Schatz“ an. Dass Alyssa sich durch ihn bedrängt fühlte, wurde ebenfalls in dem Brief deutlich. Er habe das verstanden und wolle ihr den Freiraum geben. Er sieht in der Freundschaft eine feste Beziehung, will für immer mit ihr zusammen sein, Kinder haben.
Gericht will Chat-Protokolle unter die Lupe nehmen
Der siebte Prozesstag vor der dritten Strafkammer des Landgerichts Cottbus brachte tiefe Einblicke, wie sehr junge Menschen untereinander vernetzt sind, und das nicht nur durch Gespräche auf dem Schulhof. Denn sie nutzen unterschiedlicheste Kommunikationswege. Sie senden sich Kurznachrichten über Jappy, SMS und Facebook. Die Teenager teilen ihre Sorgen und Nöte miteinander, leiten ganze Nachrichtenblöcke an enge Freunde weiter.
Diese Chat-Protokolle sind dem Gericht offenbar sehr wichtig. Denn die Prozessbeteiligten erhoffen sich, daraus zu erfahren, wann genau und auf welche Art Alyssa den Angeklagten 21-Jährigen kennen gelernt hatte, wer davon wusste und ob es tatsächlich eine Liebesbeziehung zwischen den beiden gab oder ob es lediglich eine einseitige Beziehung des mutmaßlichen Täters zu der Schülerin war.
Alyssas Mutter habe gewollt, dass sie den Kontakt zu Maurice abbricht, erzählte Jennifer weiter. Alyssa habe das aber langsamer machen wollen, weil sie ihn nicht so stark verletzen wollte. Dass Maurice auch nach der Trennung noch so viele Nachrichten an Alyssa schickte, war der Freundin unheimlich. Sie empfand das als sehr aufdringlich.
Schulfreunde machten sich Sorgen um Alyssa
Auch weitere Schulfreunde erklärten, mitbekommen zu haben, wie sich Alyssa und der Angeklagte über das soziale Netzwerk Jappy im Internet kennen gelernt hatten. Alyssa interessierte sich für Mangas, japanische Comics für Erwachsene, ebenso wie der Angeklagte. Auch der 16-jährige Nicolas bestätigte, dass Alyssa die Beziehung zu Maurice nicht wollte und er damit gedroht hatte, sich umzubringen, wenn sie sich von ihm trennt. Dennoch habe er ihr geraten, die Beziehung zu beenden.
Christian, ein Ex-Freund von Alyssa, erzählte dem Gericht, dass er zwar nicht viel über den Angeklagten wisse, aber dass Alyssa ihm geschrieben habe, dass er „Sado-Maso-Dinge mag, sie das aber nicht wollte“.
Der 17-jährige Angelo hatte Alyssa im Sommer 2013 kennen gelernt und freundete sich enger mit der Schülerin an, war in sie verliebt. Als zurückhaltendes Mädchen und lebensfreudiger Mensch beschrieb er den Charakter der Schülerin. Sie sei gutgläubig und nicht misstrauisch gewesen, habe andere Menschen nicht vor den Kopf stoßen wollen. Auch ihm habe sie von Maurices Selbstmorddrohungen erzählt. Etwa eine Woche vor der Tat habe er mitbekommen, dass sie sich von dem Angeklagten getrennt hatte. Er habe Maurice M. geschrieben, dass die Beziehung mit Alyssa ein Missverständnis sei und er sie in Ruhe lassen solle.
Alyssa vertraute ihre Gefühle ihrem Tagebuch an
Wie sehr Alyssa unter Druck stand, wird aus einem Tagebucheintrag deutlich, den Richter Thomas Braunsdorf verlas. Darin schrieb sie, dass sie einen ziemlich guten Freund kennen gelernt habe, der ihr erzählt habe, wie gerne er sterben wolle. „Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn lieb habe, damit er das nicht tut. Nun habe ich den Salat. Aber ich liebe ihn doch gar nicht. Ich war viel zu naiv, zu gutherzig mit ihm“, vertraute Alyssa ihrem Tagebuch an.