Alyssa-Prozess: Anwalt fordert 150.000 Euro Schmerzensgeld
Eichwalde/Cottbus. Rechtsanwalt Sven Peitzner, der im Prozess zu der im November 2013 ermordeten 14-jährigen Alyssa aus Eichwalde die Interessen des Opfers und ihrer Eltern vertritt, forderte am Donnerstag 150.000 Euro Schmerzensgeld plus Zinsen. Die Höhe der Zahlung legt das Gericht fest. Der Anwalt der Familie untermauerte die Forderungen mit einem Urteil des Landgerichts Heilbronn, bei dem es ebenfalls um ein ermordetes 14-jähriges Mädchen ging. Im Gegensatz dazu habe Alyssa mindestens die fünffache Zahl an Messerattacken bis zu ihrem Tod erleiden müssen. Dem Angeklagten sei es nicht nur darum gegangen, die Schülerin zu töten, sondern ihr dabei möglichst große Schmerzen zuzufügen. Die Art und die Vielzahl der Schnittverletzungen belegten dies, erklärte Peitzner.
Familie ist noch immer schwer traumatisiert
Seit der grausamen Tat leide die Familie des Opfers an posttraumatischen Belastungsstörungen, die sich psychosomatischen Erkrankungen und Depressionen äußerten. Die Vorstellung der Tat verfolge die Eltern zu jeder Tages- und Nachtzeit, schilderte der Anwalt. Der Angeklagte habe die psychischen Schmerzen der Familienmitglieder billigend in Kauf genommen, da er gewusst habe, dass diese zwei Jahre vor der Tat ihren Sohn und Bruder verloren hätten. Die Mutter der geschädigten sei nicht mehr in der Lage ihren Beruf auszuüben. Der Anwalt beantragte darüber hinaus Prozesskostenhilfe zu bewilligen, da die Eltern über kein Vermögen verfügten.
Vor der Jugendstrafkammer des Landgerichts Cottbus muss sich seit August 2014 der heute 21-jährige Maurice M. verantworten. Er wird beschuldigt, die Schülerin aus Eichwalde mit mindestens 78 Messerstichen getötet zu haben. Darüber hinaus verletzte er Willi H., einen Schulfreund des Mädchens, als dieser versuchte Alyssa zu helfen.
Schulfreund leidet noch immer unter den Eindrücken der grausamen Tat
Rechtsanwältin Ariane Lambert, die den Schüler vertritt, beantragte ebenfalls Schmerzensgeld, ohne dabei eine Summe zu nennen. Willi H. war mit Alyssa eng befreundet, sei in sie verliebt gewesen. Seit der Tat leide auch er an einer posttraumatischen Belastungsstörung und habe durch die Verletzung an der Hand eine große Narbe davongetragen. Eine Psychologin habe bei ihm gravierende Persönlichkeitsveränderungen festgestellt, so die Anwältin. Sie beantragte, die Psychologin als Zeugin vorzuladen.
Zwar hatte der Angeklagte beim zweiten Prozesstag Anfang September 2014 einen Umschlag mit 500 Euro als Schmerzensgeld an Willi H. übergeben lassen. Jedoch sei die Übergabe des Umschlags außerordentlich unglücklich verlaufen. Willi H. nahm das Geld nicht an, sondern spendete es an den Weißen Ring.
Die Verteidiger des Angeklagten wollten zu den Anträgen während des so genannten Schiebetermins am Donnerstag keine Stellung beziehen, erklärten aber, dies zu einem späteren Zeitpunkt zu tun.
Gefängnispsychologin sagte im Dezember aus
Am 19. Dezember 2014 hatte eine Gefängnispsychologin als Zeugin vor der Strafkammer ausgesagt. Da sie keine Psychotherapeutin ist, unterliegt sie nicht der ärztlichen Schweigepflicht. Seit Anfang Februar 2014 arbeitet die Psychologin in der Justizvollzugsanstalt Wriezen, in der der Angeklagte Maurice M. in Untersuchungshaft sitzt. Anfänglich hatte die Psychologin ein bis zweimal wöchentlich mit dem Angeklagten gesprochen, da er als Selbstmordgefährdet galt. M. habe auf sie einen sehr misstrauischen Eindruck gemacht, erklärte die Gefängnispsychologin. Die Gespräche seien dann aber immer seltener geworden. Er habe sich immer mehr zurück gezogen und verbringe die meiste Zeit lesend in seiner Zelle.
„Er hat von Anfang an eher nach vorn, als nach hinten geschaut. Er war sich sicher, dass er schnell wieder nach Hause kommt“, sagte die Psychologin. Er habe wirklichkeitsfremde Fantasien, die mitunter einen grotesken Charakter zeigten. Beispielsweise habe er die Idee gehabt sein Abitur während der Haft zu machen, ein Studium im Fach Grafikdesign oder Computerwissenschaften aufzunehmen und glaubte von sich überdurchschnittlich intelligent zu sein. Er habe geglaubt bald in den offenen Strafvollzug zu kommen, gar Hafturlaub zu bekommen. Er habe ihr immer zu verstehen gegeben, dass er keine Suizidabsichten habe.
M. sei anfänglich gemeinschaftlich untergebracht gewesen und zunächst gut mit den Mitgefangenen klar gekommen. Er habe dann aber erklärt, dass er sich von ihnen angegriffen fühlte und behauptete von ihnen körperlich traktiert worden zu sein. „Du Schwein, du Mörder, was lebst du überhaupt noch hier?“ sollen die Mithäftlinge zu ihm gesagt haben, zitierte die Psychologin den Angeklagten. Der Vorgang ist in den Gerichtsakten dokumentiert.
Zu der ihm vorgeworfenen Tat selbst hatte er sich gegenüber der Psychologin nicht geäußert. Vielmehr habe er ihr gegenüber immer wieder betont, dass er die Tat nicht begangen habe. Insgesamt habe M. auf ihr den Eindruck erweckt zwar freundlich und zugewandt zu sein, aber kaum Mitgefühl zu empfinden. Vielmehr sei der Angeklagte verärgert gewesen, wenn er sich persönlich eingeschränkt, oder schlecht behandelt fühlte.
Während die Gefängnispsychologin ihre Aussage machte, kauerte Maurice M. auf der Anklagebank, blickte nicht einmal auf. Er zeigte keinerlei Anzeichen einer Regung, schien sich Notizen zu machen oder zu zeichnen.
Prozessbeobachter erwarten mit Spannung das Gutachten des Gerichtspsychologen Alexander Böhle, das nächste Woche Mittwoch auf der Tagesordnung des 15. Prozesstages steht. In seiner Einschätzung kann er sich lediglich auf die bisherigen Zeugenaussagen stützen. Denn der Angeklagte hatte sich bislang geweigert mit dem Facharzt für forensische Psychiatrie zu sprechen.
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