Alyssa-Prozess: Verteidiger hält neunjährige Haftstrafe für angemessen
Eichwalde/Cottbus. „Ich bitte, die Fakten zu berücksichtigen, die aus Sicht der Verteidigung ein anderes Strafmaß ergeben könnten“, appellierte der Pflichtverteidiger zu Beginn seines Plädoyers im Prozess um die in Eichwalde ermordete Alyssa (14). Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer Anfang April 15 Jahre Haft nach Jugendstrafrecht gefordert. Die Verteidigung hielt hingegen am Montag neun Jahre Jugendhaft für angemessen und stellte in Frage, ob es sich bei der Tat tatsächlich um Mord handelt. Das Urteil wird am 30. April 2015 gesprochen.
Der Anwalt führte für das niedrigere Strafmaß mehrere Gründe an. Der Angeklagte Maurice M. habe keinen Punkt der Anklage bestritten und den Versuch unternommen, sich zu entschuldigen. Es habe aus Sicht der Verteidigung sehr wohl eine Liebesbeziehung zwischen dem Angeklagten und dem Opfer gegeben. Jedoch habe M. aufgrund seiner Persönlichkeit die Zeichen der Ablehnung nicht erkennen können. Erst am Morgen der Tat sei ihm klar geworden, dass es keine weitere Beziehung zu Alyssa geben würde. Es sei nicht auszuschließen, dass der krankhafte Narzissmus das Steuerungsvermögen des Angeklagten beeinflusst haben könnte.
Die Verteidigung sei der Ansicht, dass das Treffen verabredet war. Belegt sei dies durch die Zeugenaussage des Schulfreundes von Alyssa, Willy H., der von einem Treffen zur Aussprache gesprochen hatte. Dies sei auch durch weitere Zeugen bestätigt worden. Ein anderer Zeuge hatte gesehen, wie sich drei Jugendliche am späteren Tatort stritten. Die SMS-Nachrichten belegten zudem, dass der Angeklagte warten sollte, bis Alyssa aus der Schule kam. Der Anwalt stellte in Frage, ob der Tatverlauf tatsächlich so schnell stattgefunden hat, wie im Prozess dargestellt wurde.
Dem Angeklagten wird vorgeworfen, sein Opfer mit einer Bierflasche niedergeschlagen, mit einem Messer auf sie eingestochen, sie zu einem Baum gezerrt zu haben und dort weiter auf die Schülerin eingestochen zu haben. Als Willy H. Alyssa helfen wollte, soll er vom Angeklagten verletzt worden sein. Der Schüler hat die Tat mit ansehen müssen.
Möglicherweise habe sein Mandant anfänglich noch keine Tötungsabsicht gehabt, argumentierte der Anwalt. Rechtlich sei aus seiner Sicht das Mordmerkmal der Heimtücke nicht bestätigt. Die Arglosigkeit der Getöteten, aber auch die Wehrlosigkeit des Opfers stellte der Verteidiger in Frage. Denn aus juristischer Sicht, hätte der Überraschungseffekt ausgenutzt werden müssen. Es sei möglich gewesen, um Hilfe zu rufen. Der Tatort in der Nähe des Bahnhofes sei zu der Tageszeit sehr belebt gewesen. Somit habe der Angeklagte damit rechnen müssen, an seinem Tun gehindert zu werden.
Der heute 21-jährige Angeklagte aus Lohmar gab zum Schluss des Prozesses erstmalig eine eigene mündliche Erklärung ab: „Ich wollte noch mal sagen, dass es mir leid tut.“ Seine Worte klangen emotionslos und auswendig gelernt. Wie in den Prozesstagen zuvor zeigte er keinerlei Gefühlsregung.