Fleisch aus Massentierhaltung wird zu 70 Prozent verramscht
Eichwalde/Region. „Der Markt für Bio-Produkte aus der Landwirtschaft hat zweistellige Zuwachsraten“, schwärmte Friedrich Ostendorf, agrarpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen, kürzlich bei einer Podiumsdiskussion. Die Partei hatte aus Anlass des aktuellen Volksbegehrens dazu in die Alte Feuerwache nach Eichwalde eingeladen. Um so erstaunlicher ist es, dass noch immer so wenig Landwirte ihre Betriebe auf nachhaltige Produktion umgestellt haben. Ostendorf hatte bereits 1982 aus seinem Familienbetrieb einen Hof nach den Standards von Bioland gemacht. Bioland ist ein Agrarverband, der Landwirtschaftlichen Betrieben Siegel nach strengen ökologischen Kriterien vergibt.
Ein Großteil des Fleisches aus Massentierhaltung wird verramscht
Heute koste ein Kilogramm konventionell produziertes Schweinefleisch 1,30 Euro, so der Landwirt aus Nordrhein-Westfalen. „Wir haben 100 Mastschweine. Für einen Biobetrieb ist das viel. Wir erzielen einen Preis der dreimal so hoch ist“, erklärte Ostendorf. Im Biosegment sei die Preisentwicklung für Landwirte gut. So koste konventionell produzierte Milch derzeit etwa 20, die Biomilch hingegen rund 48 Cent pro Liter.
„70 Prozent des Fleisches wird über Sonderangebote verramscht“, erklärte der Bio-Landwirt. Damit habe der konventionelle Markt ein Preisproblem. Weil die Preise immer stärker fielen, müsse immer mehr produziert werden, um kostendeckend zu wirtschaften. Zudem bemängelte er die irreführende Aufmachung von Verpackungen landwirtschaftlicher Produkte und forderte eine Kennzeichnungspflicht, aus der hervorgeht, wie die Lebensmittel produziert wurden.
Investor plant Mastbetrieb für 3,6 Millionen Hähnchen pro Jahr
Inka Thunecke von der Bürgerinitiative „Gumtow gegen Tierfabrik“ schilderte ihre Erfahrungen, die sie machte, als ein holländischer Investor in ihrem Ort eine Hähnchenmastanlage für rund 400.000 Tiere plante. Pro Stall sollen 50.000 Tiere gemästet werden und das mehrmals im Jahr. Das entspreche etwa 3,6 Millionen Hähnchen pro Jahr. Zusammen mit weiteren Bürgerinitiativen seien 300 Einwendungen dagegen vorgebracht worden. Der Investor habe hingegen auf Informationsveranstaltungen den Mastbetrieb als einen Gewinn für andere Landwirte dargestellt, da er sie mit dem produzierten Biogas seines Mastbetriebes mit Energie versorgen könne.
Kommunal betrachtet habe die Bürgerinitiative wenig Einfluss. Lediglich zwei Einwendungen habe die Gemeinde gegen das Projekt vorgebracht. Diese seien aber von der Baubehörde abgelehnt worden.
Aus ihrer Sicht drängten seit Jahren immer mehr Konzerne mit der Hähnchen und Schweinemast nach Brandenburg. Dabei sei der deutsche Fleischmarkt gesättigt. Auch in Gumtow seien Argumente vorgebracht worden, dass Arbeitsplätze geschaffen würden. Im Ort selbst seien aber lediglich fünf Arbeitsplätze in Aussicht gestellt worden.
Inzwischen sollen sich mehr als 31.000 Wahlberechtigte am Volksbegehren gegen Massentierhaltung beteiligt haben. 80.000 Unterschriften sind insgesamt notwendig, um der Massentierhaltung im Land Einhalt zu gebieten. Mehr als 40 Initiativen und Verbände haben sich zum Aktionsbündnis Berlin/Brandenburg gegen Massentierhaltung zusammengeschlossen.
Keine zahlenmäßige Obergrenzen für Tierhaltung
„Bei der Landwirtschaft müssen die regionalen Unterschiede berücksichtigt werden. Das bedeutet, regionale Stoffkreisläufe aufrecht zu erhalten“, sagte Hendrik Wendorff, stellvertretender Vorsitzender des Bauernverbandes Märkisch-Oderland. Er lehne es ab, eine Obergrenze für die Zahl der Tiere fest zu zementieren. Vielmehr müssten die Verfahren der Fleischproduktion so gestaltet sein, dass sie den Ansprüchen der Gesellschaft gerecht würden, so der Sprecher des Bauernverbandes.
Was vor Jahrzehnten noch als typische Landluft galt, stinkt vielen Zeitgenossen heutzutage zum Himmel. „Tierhaltung ist nie geruchlos“, sagte der Landwirt, der selbst einen Bio-Betrieb mit sieben Mitarbeitern auf 970 Hektar bewirtschaftet. Er warb für mehr Ehrlichkeit und dafür, die Landwirtschaft stärker flächengebunden zu entwickeln.
Nur wenige Bürgerinnen und Bürger kamen in das Kulturzentrum, um sich über die Massentierhaltung und das derzeitige Volksbegehren zu informieren. Rund 40 Menschen waren gekommen. Abgesehen von zwei Schülerinnen, die aufmerksam zuhörten weil sie für ein Schulprojekt recherchierten, überwog die Generation 50-Plus.
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