Kommentar: „Ein wirres Geschichtsbild der Zeit von 1933 bis 1945“
von Wolfgang Müller
Wer freute sich wohl nicht, wenn ein lokales Ereignis wie das Rosenfest zum gefühlten 50. Jubiläum mit einer Broschüre, ausgestattet mit informativen Abbildungen und erbaulichen Tatsachen, bedacht wird. Vorab sei trotzdem gesagt, dass sich Verfasser und Herausgeber mit dieser Ausgabe von Heft 11 der „Schriftenreihe zur Geschichte der Gemeinde Eichwalde“ keine Meriten erworben haben. Dieses Urteil entsteht vor allem beim Lesen der ersten 25 Seiten, weshalb ich der Aufforderung des Impressums: „Änderungswünsche, Anregungen und Ergänzungen für die nächste Ausgabe nimmt der Ortschronist der Gemeinde Eichwalde gern entgegen“ nachkomme.
Politisch-historische Bedingungen kaum berücksichtigt
Eine Arbeit ,Zur Geschichte‘ der Eichwalder Volksfeste sollte politisch-historische Bedingungen berücksichtigen, unter denen sie veranstaltet wurden. Das gelingt der Abhandlung allenfalls andeutungsweise, sie lässt dafür aber ein wirres Geschichtsbild der Zeit von 1933 bis 1945 sichtbar werden. Zum Beispiel:
- Es wirkt naiv, wenn gefragt wird, ob „es die Angst vor den neuen Machthabern“ (S.17) war, dass 1933 niemand Widersprüche gegen die Gleichschaltung der Volksfestorganisierung erhob. Erstens stimmt das in dieser Pauschalisierung so nicht, zweitens wird damit die einschüchternde Wirkung des Terrors und die demagogische Feier- und Festkultur als notwendiger Teil der NS-Ideologie verharmlost.
- Trotz detaillierter Schilderung des Rosenbaumfests von 1938 wird nicht gesagt, dass Juden beim Fest ausgeschlossen und unerwünscht waren. Juden galten eben nicht als „Volksgenossen“ (Abbildung Seite 22).
- Seltsam mutet eine der Begründungen dafür an, dass die „Rosenbaum- und vergangenen Volksfeste“ nicht gleich nach dem Krieg wieder aufgenommenen wurden. Die „ehemaligen ‚Macher’, die Erfahrungsträger, (waren) nicht mehr da“ (Seite 25). Weil „etwa 400 NSDAP-Mitgliedern oder Anhängern ihrer Gliederungen“ angeblich „nach dem Einzug der sowjetischen Truppen abgeholt und in Lager gebracht“ worden seien. Im Jahre 2015 sprach Wolfgang Flügge gegenüber den Eichwalder Nachrichten sogar von „rund 500 Personen“ und behauptete, ohne Quellen anzugeben, „kaum einer wurde später wieder gesehen“. Die Autoren bleiben den Nachweis für diese fahrlässige provokante Aussage schuldig.
- Ihre Darlegungen sind auch von sachlichen Fehlern getrübt, die für frei erfundene Entwicklungsetappen der Volks- und Erntefeste herhalten müssen: Aus einem angeblichen Erntedankfest (Seite10) brauchte nicht erst ein Volksfest (Seite15) zu werden, weil es das schon seit 1920 war – mal mit, mal ohne „Ernte“ – das aber nie als „Erntedankfest“ gefeiert wurde. Solches wurde meist den Kirchen überlassen, und erst die Nazis führten das ,Reichserntedankfest‘ ein.
- Der Eichwalder Volksfestplatz lag bis 1930 an der Schmöckwitzer Straße und nicht in der Bahnhofstraße, wie die Autoren zu wissen glauben. Weitere desorientierende Ungenauigkeiten verärgern den kundigen Leser.
Kein Wort zur veränderten Sozialstruktur nach 1990
Sehr erbaulich dürfte dagegen für langjährige Einwohner Eichwaldes die beschriebene Vielseitigkeit der „Rosenfeste“ zu DDR-Zeiten sein, die dazumal leider nicht alljährlich gefeiert worden waren.
Die Bilanz der Rosenfeste seit 1991 ist sehr eindrucksvoll. Leider erfährt man über die nach 1990 drastisch veränderte Sozialstruktur des Ortes und deren Auswirkung auf die Veranstaltung von Rosenfesten nichts. Der einsetzende Prozess notwendiger Identitätsbildung der neu strukturierten Einwohnerschaft und die besondere Funktion des Rosenfestes bleiben, abgesehen vom initiativreichen Wirken des Heimatvereins, außen vor. Trotz gesellschaftlicher Umbrüche scheint die kommunale Gemeinde jene Einheit zu bleiben, die bei den Einwohnern wichtiger Orientierungspunkt ihres Lebensgefühls ist, wobei traditionelle Volksfeste noch heute den ,jährlichen Höhepunkt des Zusammenlebens‘ (Seite 9) bilden können.
Dazu bietet die Abhandlung künftigen Veranstaltern Lehrmaterial zur Vorbereitung auf weitere Rosenfeste und regt indirekt dazu an, das Geschehen vergangener Jahre aufzuarbeiten, aber bitte mit mehr Gründlichkeit und politischem Sachverstand.
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